In den Köpfen ist alles anders

Kommandeurswechsel bei der Deutsch-Französischen Brigade / Krieg in der Urkraine änderte viel

Müllheim. Für die Jüngeren unter uns war es noch nie ein großes Thema: Krieg, Waffen und Soldaten hatten kaum Relevanz. Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 änderte sich das schlagartig. Plötzlich war die Bundeswehr wieder Thema, plötzlich gesellschaftlich präsent. Das spürte man auch in Müllheim. Brigadegeneral Jean Philippe Leroux und sein Stellvertreter Oberst Philipp Leyde geben zum Ende ihrer Amtszeit einen Rückblick über zwei krisengeplagte Jahre.

Mitte Juli wechselt die Spitze der Deutsch-Französischen Brigade (DFB) turnusgemäß. Mit  Brigadegeneral Jean Philippe Leroux war die DFB in den letzten zwei Jahren unter französischer Führung. Mit Christian Friedl wird der Stab wieder an einen deutschen General abgegeben – immer im Wechsel. Anlässlich eines Pressegesprächs am Montag blickte die aktuelle Spitze auf ihre zweijährige Amtszeit zurück und gab einen Einblick in die Themen, die die DFB derzeit beschäftigen, geprägt vor allem vom Angriffskrieg auf die Ukraine. 
2022 hatte die Deutsch-Französische Brigade das Kommando der  „Very High Readiness Joint Task Force“ der Nato inne. Das ist die  Gruppe, die im Bündnisfall zuerst einsatzbereit sein muss, die sogenannte Speerspitze der Nato. Das und die dazugehörige Großübung  wurden schon seit Jahren geplant. Der Krieg in der Ukraine gab dem ganzen jedoch eine neue Dringlichkeit, berichten die beiden hochrangigen Soldaten. 
Auch im Alltag der Brigade änderte sich im letzten Jahr dadurch so einiges. Der Fokus wurde neu gesetzt, erklären Leroux und Leyde.  Bisher wurden die Übungen speziell auf Auslandseinsätze wie beispielsweise in Mali ausgelegt. Rebellen und Terroristen bekämpfen, Präsenz zeigen, stand dabei im Zentrum – Das ist nun anders. Jetzt werden Szenarien geübt, die die Soldaten auf die kollektive Verteidigung und einen möglichen Krieg der Großmächte vorbereiten sollen. Dazu zählen vor allem großangelegte Übungen im freien Gelände unter möglichst realen Bedingungen. Erst kürzlich fand eine solche Übung mit rund 5.000 Soldaten in der Champagne statt, berichten Leroux und Leyde. Dabei mussten sich die Soldaten über drei Wochen durchs Feld kämpfen,  Unterkünfte suchen, beispielsweise in Scheunen, oder ihre Panzer durch den Zivilverkehr lenken. Erfahrenere  Kräfte wie  Jean Philippe Leroux und Philipp Leyde kennen solche Übungen noch aus der Zeit des kalten Kriegs. Für die Jüngeren sind diese neu, berichten sie. Die Grundausbildung habe sich nicht geändert. An den Geräten wurden die Soldaten schon vor der neuen Situation solide ausgebildet. „Es ist vor allem im Kopf etwas anderes sich auf geplante Auslandseinsätze vorzubereiten, von denen man wusste, in einem halben Jahr sind sie für dich beendet“, verrät Philipp Leyde. Jetzt müsse man ständig mit einem Einsatz rechnen und im Ernstfall das Bündnis oder gar das eigene Land verteidigen. Das erfordert Flexibilität von Soldaten aber auch von deren Familien. Angst macht das den Soldaten nicht, so die Einschätzung von Leroux und Leyde. Eine gewisse Ernsthaftigkeit in der Kaserne ist aber zu spüren.
Die richtige Balance Auf die  politischen Entscheidungen zur Unterstützung der Ukraine müsste auch die DFB prompt reagieren, sei es bei der Lieferung von Panzern oder der Ausbildung ukrainischer Soldaten. Das schränke die Planbarkeit der Arbeit der DFB zusätzlich ein. Fehlende Panzer müssten nachgeordert werden. Das dauert, erklärt Leroux. Deshalb heißt es hier die richtige Balance zu finden zwischen „Was gebe ich zur Unterstützung ab und was halte ich für eine stabile Einsatzbereitschaft zurück.“ Die Entscheidung hierzu liege jedoch bei der Politik.
 Positiv verändert hat sich das gesellschaftliche Interesse an der Brigade. Viele Kameraden würden auf der Straße angesprochen und gefragt, „was sie denn im Moment so machen“, erzählt Philipp Leyde und freut sich über den Rückhalt aus der Bevölkerung. 
In Müllheim hat sich in den letzten beiden Jahren strukturell nicht viel verändert. Lediglich verschiedene Modernisierungen wurden durchgeführt. 
Am 17. Juli werden Jean Philippe Leroux und Philipp Leyde abgelöst. Für beide beginnt dann ein neuer Abschnitt innerhalb ihrer Karrieren. Jean Philippe Leroux wechselt zur EU nach Brüssel, Philipp Leyde zur Heeresführung nach Strausberg. Vermissen werden sie Müllheim beide. „Ich fühle mich zuhause in Müllheim“, sagt der Brigadegeneral Jean Philippe Leroux zum Ende des Interviews. Sofie Ritter