„Meutert jetzt jeder, wie er grad lustig ist?“

Bis Anfang August zeigt das „Theater im Steinbruch“ sein Erwachsenenstück „Die Schatzinsel“

Emmendingen. Im „Theater im Steinbruch“ ist die Sommer-Spielzeit in vollem Gange. Bis Anfang August werden jeden Mittwoch und an den Wochenenden sowohl das Kinderstück „Peter Pan“ als auch das Erwachsenenwerk „Die Schatzinsel“ gezeigt. Bemerkenswert: bei letzterem handelt es sich sogar um eine Uraufführung.

Den Buchklassiker von Robert Louis Stevenson aus den 1880er-Jahren spielt das Erwachsenenensemble in einer völlig neuen Theaterfassung. Geschrieben hat sie der Literatur- und Musikwissenschaftler Dirk Schröter. Als Autor, Regisseur und Souffleur ist er seit Jahren fester Bestandteil der Freiburger Theaterszene. In seiner Version legt Schröter das Augenmerk auf den Originalautor Stevenson. Ihn und dessen Familie lässt er in seiner Version sogar auftreten. Dabei wird geklärt: welche autobiografischen Elemente enthält das Stück? Und welchen Einfluss hatte Stevensons Frau auf die einzelnen Figuren?

Unter der Regie von Benedikt Bachert setzen die 22 erwachsenen Akteure die neue Fassung wunderbar um. Als Zuschauer – dies spürte man am letzten Samstag – benötigt man allerdings Weile, um ins Stück reinzufinden. Die Handlung beginnt im Hause des Ehepaars Stevenson. Mit Freunden unterhält es sich im Rückblick über die Entstehung der „Schatzinsel“. Als Schauplatz dieser Gespräche dient das Holzschiff. Von oben herab blicken der paffende Autor (Gunter Hauß) und dessen Anhang auf die ersten Szenen des Romans. Es wird analysiert, kommentiert und sogar angefeuert. Fast wirkt es, als seien die Figuren noch Marionetten.

Erst nach gut 25 Minuten verselbständigen sich die Szenen. Stevenson und seine Freunde treten in den Hintergrund. Endlich geht die lineare Geschichte los. Damit finden auch das Stück und die Zuschauer zueinander. Nun kommen auch die Stärken des Theaters im Steinbruch zum Ausdruck. Rumnase „Billy Bones“ (Andrea Gerhold) zeigt torkelnd, wohin die Reise geht: nämlich in eine heiser-spelunkige Seemannswelt mit durchweg prägnanten Charakteren, die besser kaum gespielt werden könnten. Fassung hin oder her: am Ende sind es dann doch sie, die das Emmendinger Publikum durch das zweieinhalbstündige Stück tragen.

Zu nennen sind die weißäugige „Pew“ (Jasmin Baumgratz) oder der undurchschaubare holzbeinige „Long John Silver“ (Hans Bürkin). Auf der guten Seite stehen die kühne Gasthaustochter „Belle Hawkins“ (Rebecca Schneider) oder die moderne Powerfrau „Dr. Livesey“ (Juliana Kappus). Publikumsliebling ist „Ben Gunn“ (Gunter Hauß). „Der lässt mich hier verschimmeln wie ein Jersey Blue“, jammert der käsesüchtige Ausgesetzte. Die Interaktionen halten das Stück in ständiger Bewegung - sowohl physisch als auch emotional. Mit Goldmünzen in den Augen wird beteuert und geliebt, dann doch intrigiert und gemordet. „Meutert jetzt jeder grad so wie er lustig ist?“, fragt sich selbst „Mary Read“ (Jasmin Baumgratz).

Zwischenstopps bilden die zahlreichen musikalischen Einlagen. Im Gasthaus „Admiral Benbow“ fällt die Crew so rumselig wie mitreißend in den Klassiker „Whiskey In The Jar“. Dabei wird Gitarre und Mandoline gespielt. Ebenfalls authentisch sind die Säbelkämpfe, die extra einstudiert wurden. Und wie immer gibt es die für den Steinbruch so typischen humorvollen Seitenhiebe. In einem dieser Momente lehnen „Long John Silver“ mit Tilly Redruth (Simone Bockstahler) verliebt an der Reling und breiten nur kurz die Arme aus. Das Publikum weiß sofort, was gemeint ist.

Ein Hauptthema in Schröters Fassung ist die Gendergerechtigkeit. Sie zieht sich durchs ganze Stück. In der testosterongesteuerten Seemannswelt geben die Frauen verbal kontra. „A Woman needs a man like a fish needs a bicycle”, sagt beispielsweise “Dr. Livesey”. Auch wenn es sich nach einiger Zeit etwas abnutzt, passt es doch zur Inszenierung im „Theater im Steinbruch“, weil Frauen hier oft Männerrollen spielen. So oder so: es lohnt sich, "Die Schatzinsel" anzuschauen. Die nächste Gelegenheit bietet sich am heutigen Mittwochabend um 19.30 Uhr. Bis Anfang August wird das Stück an zwölf weiteren Abenden aufgeführt.

Daniel Gorzalka