„Großflächige, sichtbare Schäden an Buchen“

Landwirtschaftsminister Peter Hauk informierte sich im Kenzinger Forlenwald

Kenzingen (slw). Lang anhaltende Trockenheit betrifft besonders die Baumart Buche. Absterbende Kronen, nicht ausreichend belaubte Äste, abgeplatzte Rinde, Pilz- und Käferbefall häufen sich. Auf seiner Sommertour ließ sich der Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk, von Forstvertretern über das Schadensausmaß im Forlenwald unterrichten.
Warum die Buche? Warum Kenzingen? Die Buche ist mit 34 Prozent die häufigste Baumart in den hiesigen Wäldern. Ihre großflächigen Schäden zeigen, dass mehr Klimaschutz betrieben werden muss. Die konsequente Anpassung der Wälder an den Klimawandel ist zu forcieren. Mit dieser These im Gepäck reiste der Minister an.
Bürgermeisterstellvertreter Karl Weiß begrüßte die Delegation. Neben dem Minister Peter Hauk waren auch der erste Landesbeamte Hinrich Ohlenroth, der stellvertretende Leiter der Unteren Forstbehörde, Frieder Hepperle, sowie der Forstrevierleiter Johannes Kaesler vor Ort. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt war mit Jörg Grüner und das Regierungspräsidium durch Armin Jacob vertreten. Alexander Schoch, stellvertretender Vorsitzender des Umweltausschusses im Landtag, weilte ebenfalls unter den Experten und Teilnehmenden.
Seit fünf Jahren zeigen die Buchenwälder im Stadtwald deutliche Schäden durch Dürre und Hitze: absterbende Kronen, nicht ausreichend belaubte Äste, abgeplatzte Rinde sowie Pilz- und Käferbefall. Diese auch für Laien sichtbaren Schäden am Buchenbestand würden nach einem aktiven, schnellen und entschlossenen Handeln rufen. Eine Anpassung an den Klimawandel sei absolut notwendig. 
Bis vor wenigen Jahren noch habe die Rotbuche als klimastabile Baumart gegolten. Als Folge der extrem heißen und trockenen Witterung hätten die Schäden aber zugenommen. Die häufigste primäre Schadursache sei die schlechte Wasserversorgung, die sich vermehrt in älteren Wäldern und auf schlecht versorgten Standorten zeige, hieß es vonseiten der Experten.

Wirtschaftsfaktor und Erholungsort
Mit 1.400 Hektar zählt Kenzingen zu den größten waldbesitzenden Gemeinden im Landkreis. Das stelle einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor -und Standort dar, der wertvolle Rohstoffe liefere. Gleichzeitig sei der Wald für die Bürger wichtiger Erholungs- und Freizeitort. Flora und Fauna des Waldes sei, so Weiß, ein schützenwertes Gut.
Die Kehrseite der Medaille zeigte Johannes Kaesler auf. Leider liege der Stadtwald auf Kreisebene nicht nur in Sachen Erholung, sondern auch auch in der Schadens-Statistik ganz weit vorne. 2022, so seine Schätzung, sei das Schadholz auf etwa 20 Prozent der geernteten Menge angewachsen. 
Es sei mitterweile kein Geheimnis mehr: Schäden durch Dürre und Hitze seien mittlerweile neben dem Befall durch Borkenkäfer die häufigsten Ursachen der Schäden. Das Üsenberger Waldsterben sei ein Spiegelbild der Entwicklung auf Kreisebene. Hepperle berichtete über Qualitätsverluste im östlichen Bereich. Dort sei die Fichte durch den braun oder schwarz gefärbten Käfer befallen, der sich in Gängen durch die Borke bohre, dort fortpflanze und so großen wirtschaftlichen Schaden anrichte. Im Forlenwald und den angrenzenden Wäldern seien die Buchenbestände durch Trockenheit und Hitze stark in Mitleidenschaft gezogen.
Das Schadensausmaß mache betroffen, ergänzte der stellvertretende Leiter des Kreisforstamtes. Tagtäglich werde bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt an den Fördermöglichkeiten für Waldgenerationen gearbeitet. Der Anteil an trockenheitstoleranten Baumarten müsse sich deutlich erhöhen. Dazu brauche es politische und finanzielle Unterstützung, ergänzte Hepperle.

„Rasches Handeln erforderlich“
Die großflächigen, über ganz Baden-Württemberg verteilten Schäden erforderten ein rasches Handeln. Als ein erstes Entgegensteuern in der Waldstrategie habe die Landesforstverwaltung gemeinsam mit ForstBW die Weiterentwicklung der Richtlinie „Landesweite Waldentwicklungstypen“ begonnen. Sie würden der forstlichen Praxis Anleitung zur Förderung von klimaanpassungsfähigen Zukunftswäldern bieten, betonte Minister Hauk bei seiner Stippvisite in Kenzingen.
Während die Forstpartie auf Mittelzuweisung für Waldbesitzer zur Aufforstung und Schadholzaufarbeitung drängt, wurde von politischer Seite erstmal gebremst: Die dringend benötigten Gelder seien unstrittig, doch der Bund werde sich ab dem kommenden Jahr aus der Co-Finanzierung und Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zurückziehen, bedauerte Minister Hauk.

Gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Der Erhalt der Wälder und ihrer vielfältigen Funktionen sei eine große, gesamtgesellschaftliche Aufgabe, steht in einem Ministeriumsschreiben. Mit der Waldstrategie Baden-Württemberg 2050 will man eine optimistischere Zukunft des Walds untermauern. Der „Notfallplan Wald“ ist landespolitisch beschlossen und führt die kurzfristig notwendigen Maßnahmen auf. „Bis 2045 werden die Waldschäden noch deutlich zulegen“, resümierte Hauk. Dann greife hoffentlich die Klimapolitik. Karl Weiß malte dazu vorsichtig ein imaginäres Fragezeichen in die Luft.
Den Waldbesitzern drohen neben Wertverfall des Holzes auch höhere Kosten in der Holzernte. Die Kosten der Wiederbewaldung mit klimaangepassten, standortgerechten Baumarten addierten sich auf. Unerlässlich aus Sicht der Waldbesitzer sei die Fortführung der Landesfördermittel.
Waldschutzexperte Jörg Grüner will Ursachenforschung betreiben und die Frage nach den Faktoren, die auf den Gesundheitszustand der Rotbuche einwirken, beantworten. Ein dafür landesweites Netz an Untersuchungsflächen sei eingerichtet, müsse aber noch intensiviert werden. Um einen Überblick über die Vitalität der trockengestressten Buchen zu erhalten, erfolge eine Einteilung in Risikoklassen. Je nach Schwere rät Armin Jacob zur Anpflanzung neuer, nicht heimischer Baumarten.
Nach zwei Stunden nahm Minister Peter Hauk die Erkenntnis mit, dass Kenzingen nur ein Mosaiksteinchen in puncto Waldsterben darstellt. Nächstes Ziel: das Landwirtschaftsamt in der Kreisstadt. Auf der Hochburg erfuhr er von den Problemen der Landwirtschaft, insbesondere des Weinbaus.
Einen Vorgeschmack servierte ihm Karl Weiß: Es seien „die Krabben“, die den örtlichen Landwirten enorme Schäden zufügten. Der Maiswurzelbohrer sorge zusätzlich für hohe Ertragseinbußen und Bekämpfungskosten. Mit der Bitte im Gepäck, die finanzielle Förderung zur Aufarbeitung von Schadholz auch im kommenden Jahr fortzusetzen, reiste der Minister dann zum nächsten Treffen.