Regio. Bauernproteste in einer Breite und Intensität wie sie Deutschland noch nicht erlebt hat, bestimmen in dieser Woche die Nachrichten und das deutschlandweite Straßenbild. Der ReblandKurier wollte wissen, welche Hintergründe das enorme Aufbegehren der Landwirtschaft hat. Michael Fröhlin, Kreisvorsitzender des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV) aus Müllheim, kam zum Redaktionsbesuch und gab Auskunft.
Tierschutz, Umweltschutz und soziale Belange hätten in Deutschland zu immer mehr Auflagen geführt, die die Landwirtschaft zu erfüllen habe – weitaus höhere Standards, als im europäischen Ausland. „Was letztes Jahr noch als systemrelevant galt, wird jetzt als Klimakiller betrachtet und verboten“, erklärt Michael Fröhlin die Folgen des deutschen Vorpreschens etwa beim Klimaschutz und das daraus resultierende Dilemma der Bauern. Mit den im Ausland unter einfacheren Bedingungen hergestellten landwirtschaftlichen Produkten müsse die deutsche Landwirtschaft am Markt konkurrieren, schildert Fröhlin das Kernproblem. Der Staat kenne das Dilemma und fahre deshalb seit Jahren Förderprogramme, um die heimische Landwirtschaft zumindest halbwegs konkurrenzfähig zu halten. Dazu gehöre zum Beispiel die Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge oder die Agrardiesel-Subvention für Landwirte. Hier wollte die „Ampel“-Regierung nun ansetzen, um die marode Staatskasse aufzubessern. Zur Empörung der Landwirtschaft...
Wolfgang Hecker, Landwirt aus Betberg und pikanterweise Nachfahre des historischen Bauernkriegsführers Friedrich Hecker, wird von Michael Fröhlin wie folgt zitiert: „Wir stehen mit dem Arsch an der Wand – teilweise guckt der Allerwerteste schon hinten wieder raus.“ Weil das so ist, fallen die Proteste so heftig aus. Die „Rolle rückwärts“, zu der die Ampelregierung sich angesichts der Empörung über ihr Ansinnen zumindest teilweise entschlossen hat, ändere nichts an der Haltung der Bauern. Michael Fröhlin: „Für mich ist das ein Not-Entscheid, den die Landwirte aber durchschaut haben“ – damit die Rechnung der „Ampel“ weiter aufgehe, habe diese Kürzungen an anderer Stelle im selben Ressort – der Landwirtschaft eben – im Sinn. „Das Spielchen mit der linken Tasche und der rechten Tasche haben wir durchschaut. Es geht uns um die Existenz der heimischen Landwirtschaft, die ernsthaft in Gefahr ist!“ Fröhlin fordert dringend „ein politisches Umdenken“.
Der Kreisvorsitzende des BLHV hofft, dass der Protest gewaltfrei im demokratischen Rahmen abläuft. „Gewaltbereite Teilnehmer aus den extremistischen Lagern lehnen wir entschieden ab! Wir wissen, dass solche Trittbrettfahrer die bäuerlichen Aktionen kapern wollen.“
Am Montag protestierten die heimischen Landwirte vor der eigenen Haustür und pilgerten dann mit ihren Traktoren zur Kundgebung in Breisach. Am heutigen Mittwoch gibt es einen Demonstrationszug von Neuenburg nach Müllheim und um 12 Uhr eine Kundgebung auf dem Markgräfler Platz.
Für Freitag ist eine Sternfahrt aus ganz Südbaden ins Oberzentrum Freiburg vorgesehen und am Sonntagabend starten hunderte Landwirte aus der Regio mit Bussen zur zentralen Protestveranstaltung in der Bundeshauptstadt Berlin. Frank Rischmüller