„Es braucht mehr weltoffene Grenzgänger“

Neujahrsempfang mit nachdenklichen Worten, einem bunten Programm und vielen Projekten

Herbolzheim (afe). Der Neujahrsempfang der Stadt bot einen Abend mit tiefgehenden Gedanken zu den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und einem kurzweiligen, bunten Programm. Wie ein roter Faden zog sich das Thema „Zwischen grenzenlosem Wachstum und wachsenden Grenzen“ durch die Veranstaltung, bei der Bürgermeister Thomas Gedemer neben einem Rückblick auch einen Ausblick auf bevorstehende Projekte gab.

„Wie gehen wir mit Grenzen um – mit Staatsgrenzen, mit menschlichen Grenzen, mit begrenzten Ressourcen? Welche Grenzen gilt es zu achten, welche zu verändern, welche zu beseitigen?“ Diese Fragen gab Bürgermeister Thomas Gedemer den rund 300 Gästen des Neujahrsempfangs im Bürgerhaus Tutschfelden gleich zu Beginn mit auf den Weg. Er beleuchtete dabei verschiedene Facetten von Grenzen im positiven als auch negativen Sinne und spannte dabei immer wieder den Bogen zu den unter den Nägeln brennenden aktuellen Themen.

„Es ist eine Errungenschaft Europas, sich zwischen den Ländern frei bewegen zu können“, sagte Gedemer. Doch nationalistische Interessen und egozentrische Regierungen gefährdeten eine grenzübergreifende Zusammenarbeit auf Augenhöhe. „Gewalt und Krieg sind zu einem neuen Mittel der Politik geworden“, mahnte er im Hinblick auf die Ereignisse in Russland, der Ukraine oder auch Nahost.

Eindrückliche Worte fand Gedemer im Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen. Grenzen wünschte er sich etwa beim Thema Bürokratie. Dass viele Probleme nicht neu seien, belegte er mit einem Blick in die Herbolzheimer Zeitung von 1973: „Deutsche Bauern protestieren“, war dort zu lesen. Er plädierte für eine „offene Diskussionskultur, die unterschiedliche Meinungen anhört, zulässt und aus allem gemeinsam die beste Lösung generiert“. Dazu gehöre auch, manchmal die eigene Komfortzone zu überwinden. „Ich würde mir mehr Menschen wünschen, die die aktuellen Herausforderungen auch als Chance zur Gestaltung sehen, als Möglichkeit sich selbst einzubringen. Wir brauchen mehr weltoffene Grenzgänger als engstirnige Grenzwächter“, so Gedemer.

Als jemanden, der längst die „Grenzen des eigenen Wirkens ausgeweitet hat“, bezeichnet Bürgermeister Gedemer Cornelia Held, die für ihre jahrzehntelanges Engagement 2023 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Engagement lohne sich, auch wenn es nicht immer mit Vergnügen verbunden sei, erklärte Held auch im Hinblick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen im Juni. Dem stimmten auch die Fraktionsvorsitzenden des Herbolzheimer Gemeinderats, Doris Daute (SPD), Dieter Böcherer (Grünen), Martin Bergmann (FWG) und Sebastian Berblinger (CDU), in kurzen Redebeiträgen zu. Mit den Worten: „Gehen Sie wählen“, appellierte auch Landrat Hanno Hurth an grundlegendes demokratisches Handeln.

Dass in Herbolzheim auch kräftig gefeiert wurde, war in filmischen Aufnahmen zu sehen: etwa vom Frühlingsball, vom Aktionstag der Stadt, S´Fescht, von der Herbolzheimat und dem Weihnachtsmarkt. Ein Highlight war auch die Wahl der Weinprinzessin Jenny Ringwald aus Wagenstadt, die gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Handels- und Gewerbevereinigung (HuG), Philipp Ulmer, in einer kleinen Talk-Runde über die aktuellen Proteste der Landwirte sprach, über die Wertschätzung regionaler Produkte, aber auch darüber, wie die Herbolzheimer Innenstadt trotz Onlinehandel attraktiv bleibt.

Herbolzheim konnte 2023 mit der Ausrichtung des Deutschlandpokals der jungen Turner auch auf sportliche Highlights blicken. Einblicke in die Welt der Kunstturner gab Manuel Rothmann, Trainer des KTH. Turnlegende Jürgen Geiger berichtete über seine erfolgreiche Olympiateilnahme 1974 und schloss mit einem spontanen Handstand, der mit jeder Menge Applaus gewürdigt wurde. Mit den beiden Tanzgruppen 2K.UP und The Crew gab es zudem akrobatische Hip Hop-Tanzeinlagen auf Weltmeister-Niveau zu sehen, beide Gruppen konnten sich bereits im internationalen Vergleich durchsetzen. Solche Leistungen und Talente, will Herbolzheim künftig mit einem neuen Gala-Format würdigen. Die Premiere soll am 19. April stattfinden.

Abschließend richtete der Bürgermeister seinen Blick auf bevorstehende Projekte: Das neue Rettungszentrum auf dem jetzigen TVH-Gelände, die Sanierung und Erweiterung der Grundschule Wagenstadt und die Verbesserung der Wasserqualität durch eine neue Verbindungsleitung nach Ringsheim. Weiter ausgebaut werden auch die persönlichen Verbindungen zu den europäischen Partnerstädten.

Dass schon jetzt eine herzliche Verbindung etwa nach Morawica besteht, zeigte eine charmante Videobotschaft, die die Gäste abschließend beim Neujahrsempfang erreichte. Musikerin Ji-Jyun Hwang schloss das Rahmenprogramm mit einem Musikstück am Piano, bevor der Abend in einen geselligen Umtrunk mündete.