Bollschweil. Einen ruhigen Amtsantritt hatte Bürgermeister Jörg Wagner in Bollschweil nicht. Am 1. Dezember hat er das Amt angetreten und schon kurz darauf erlebt, dass der Alltag in diesem Amt stets Unabwägbarkeiten bereit hält. „Aber das ist positiver Stress“, erklärt Wagner mit einem Lächeln und freut sich tatsächlich etwas bewirken zu können.
Zum Lachen war ihm jedoch in den letzten 100 Tagen nicht immer zumute. Etwa am 23. Dezember – morgens wurde ein Wasserschaden im Feuerwehrhaus festgestellt, abends brannte ein Mehrfamilienhaus. „Da hat man menschliche Schicksale vor Augen, aber Gott sei Dank konnten wir alle unterbringen“, so Wagner. Gefahr in Verzug hieß es dann auch am 25. Dezember, ein Steinschlag an der Straße nach St. Ulrich, und schließlich musste Wagner nach einem alarmierenden Brückengutachten im Februar zwei Brücken sperren. Und auch der Prüfbericht des Regierungspräsidiums brachte dem Bürgermeister zusätzliche Arbeit auf den Tisch.
„Die Rathausmannschaft hat mich sehr offen empfangen und mir die Möglichkeit gegeben hier reinzuwachsen und reinzukommen“, weiß Wagner zu schätzen. Auch die Bevölkerung habe sich zunächst mit Anfragen zurückgehalten, diese würden nun aber vermehrt kommen.
Einige Projekte hat Wagner nun, nachdem der Haushalt aufgelegt werden konnte, im Blick: Ein großes Thema wird die Unterbringung der 41 vom Landkreis prognostizierten Flüchtlinge sein, drei sind bereits da. Aktuell leben in Bollschweil 20 Flüchtlinge sowie nach dem Brand zehn Obdachlose, daher wird die Anschlussunterbringung der weiteren Flüchtlinge schwierig. „Es ist die Kunst der Bevölkerung deutlich zu machen, dass es sich hier, ebenso wie bei klimapolitischen Themen, um ein bürgerschaftliches Thema handelt“, informiert Wagner, der bereits im Austausch mit anderen Gemeinden und dem Landkreis ist.
Die derzeitige Inflation und steigenden Baukosten beschäftigen auch die Gemeinde – die Bauherren treten von Grundstücksverträgen im Neubaugebiet zurück, die Gemeinde kann Grundstücke nicht verkaufen.
Trotzdem wird Bollschweil einen Teil zur Energiewende beitragen. 1 Million Euro sind im Haushalt für Photovoltaik eingestellt. So wird auf der Schule eine Anlage installiert, die den Stromverbrauch der Schule produzieren wird und sich binnen sechs bis acht Jahren amortisiert haben soll. Weitere PV-Projekte sind ebenso geplant, wie etwa im Baugebiet über gemeindeeigenen Parkplätzen, doch hier gäbe es noch offene gestalterische Fragen, so Wagner. Auch die Windenergie steht in diesem Jahr auf seiner Agenda. „Der Markt ist da, das Interesse auch. Hier ist es wichtig das Projekt in Ruhe anzugehen und einen Schnellschuss zu vermeiden“, verdeutlicht Wagner.
In Hinblick auf den vorliegenden Prüfbericht möchte Wagner die Personalsituation im Rathaus verbessern. „Wir hatten hierzu eine konstruktive Sitzung“, so Wagner. Nun möchte er neue Strukturen schaffen und Mitte des Jahres weiteres Personal einstellen.
Dass es sich lohnt einen langen Atem zu haben, sieht Wagner derzeit an anderer Stelle: Vor einigen Jahren hat er, damals im Elternbeirat, die Umgestaltung des Schulhofes auf den Weg gebracht, aktuell ist diese im Gange.
Annika Willscheid