Waldkirch (db). Die Sensation ist perfekt. Der neue Oberbürgermeister von Waldkirch heißt Michael Schmieder (parteilos). Auf den in Siensbach lebenden Herausforderer entfielen 56,6 Prozent der Stimmen. Amtsinhaber Roman Götzmann (SPD) erlitt hingegen, für viele sehr überraschend, eine krachende Wahlschlappe. Nur 43,14 Prozent der gültigen Stimmen entfielen auf den 41-jährigen Amtsinhaber.
Das Gesprächsthema in Waldkirch, im Zweitälerland, im Landkreis und weit darüber hinaus ist zweifelsohne die denkwürdige OB-Wahl am letzten Sonntag, die mit einer faustdicken Sensation endete. Amtsinhaber Roman Götzmann erlitt mit 3.899 Stimmen (43,14 Prozent) eine ganz herbe Schlappe und wurde deutlich von der Bevölkerung abgewählt. Strahlender Sieger und neuer Oberbürgermeister der Kandelstadt ist der 46-jährige Herausforderer Michael Schmieder, der mit 5.115 Stimmen (56,6 Prozent) überraschend klar vorne lag. Die Wahlbeteiligung lag bei lediglich 53,19 Prozent und noch unter dem Wert der OB-Wahl von 2015 (56 Prozent ). Landesweit liegt dieser Wert zwar über dem Durchschnitt, dennoch muss kritisch hinterfragt werden, warum bei der wohl wichtigsten Wahl in einer Kreisstadt nur 9.040 der insgesamt 17.109 wahlberechtigten Bürger ab dem 16. Lebensjahr von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben. Politikverdrossenheit, fehlendes Vertrauen in die politischen Gremien, auch auf kommunaler Ebene, Gedankenlosigkeit, Unzufriedenheit im Allgemeinen, Folgen der Corona-Krise – die Gründe dürften vielschichtig sein. 61 Stimmen waren ungültig, 26 entfielen auf andere Bewerber.
Fast sprachloser Wahlsieger
„Ich kann es kaum glauben, bin sprachlos und überglücklich. Das Ergebnis ist überwältigend. Danke für das riesengroße Vertrauen. Ich werde mein Bestes für die Stadt und die Bürger geben. Mein Dank gilt Roman Götzmann für den fairen und professionellen Wahlkampf “, fasste der sichtlich berührte Wahlsieger flankiert von seiner Ehefrau Barbara und deren beiden Kindern im WZO-Gespräch und später auf der Bühne zusammen. Er dankte mit den Tränen kämpfend vor allem seiner Ehefrau und seiner Familie sowie seinem engagierten Wahlkampfteam. Ein „respektvoller und wertschätzender Umgang in allen Bereichen“ sei ihm als neuer OB besonders wichtig. Ab dem 12. Juni wird der bisherige Ortsvorsteher von Siensbach die Amtsgeschäfte auf dem Rathaus übernehmen. Wer neue Ortsvorsteherin oder Ortsvorsteher von Siensbach wird, muss noch entschieden werden. Schmieder kündigte an, seinen bisherigen Beruf als selbstständiger Finanzberater aufzugeben.
Fairer Wahlverlierer
OB-Stellvertreter Michael Behringer gab das offizielle Wahlergebnis auf der Bühne bekannt und lobte auf dem vollbesetzten Marktplatz auch im Namen der Mitglieder des OB-Wahlausschusses den überaus fairen Wahlkampf der beiden Kandidaten. Wahlverlierer Götzmann gratulierte spürbar geschockt und tief enttäuscht am Rande der Veranstaltung fair und respektvoll seinem Nachfolger. Zu einer offiziellen Stellungnahme war der 41-jährige Nordbadener aus verständlichen Gründen (noch) nicht bereit. Im kurzen WZO-Gespräch am Rande der Veranstaltung war ihm der Schock und die riesengroße Enttäuschung über diesen Wahlausgang aber deutlich anzumerken. „Die Fraktion und der Vorstand der SPD Waldkirch gratulieren Michael Schmieder zum Wahlsieg. Ein ganz herzliches Dankeschön geht an Roman Götzmann für seinen Einsatz für Waldkirch als soziale Stadt in den letzten acht Jahren und seinen engagierten Wahlkampf. Die SPD wird das Wahlergebnis zu gegebener Zeit in Ruhe analysieren“, so die SPD Waldkirch.
Denkwürdige Wahl
„Das Ergebnis ist eindeutig und gibt ihnen sicherlich viel Rückenwind für die nächsten acht Jahre“, so Landrat Hanno Hurth, der die gute Zusammenarbeit mit Götzmann betonte und die selbige Nachfolger Schmieder anbot. Er sprach von einer „guten Wahlbeteiligung“, was die Zuschauer mit einem lauten Raunen quittierten. Hier kann man sicherlich geteilter Meinung sein. Freiamts Bürgermeisterin Hannelore Reinbold-Mench im Namen der Bürgermeister aus dem Landkreis und Elzachs Bürgermeister Roland Tibi stellvertretend für die allesamt anwesenden ZTL-Bürgermeister gratulierten dem Wahlsieger, verbunden mit den besten Wünschen für die künftige Amtszeit. „Eine denkwürdige Wahl“, so Tibi sichtlich überrascht vom Ausgang der OB-Wahl. Zu Ehren des neuen OBs spielten hiernach der Fanfarenzug der Schwarzenberger Herolde, einer Abordnung der Waldkircher Musikvereine mit einem starken Anteil der Siensbacher Kapelle, dirigiert von Marlon Zickgraf sowie der Spielmannszug der Historischen Bürgerwehr. Zuletzt erklang das „Badnerlied“. Dann begann ein schier endloser Gratulationsreigen auf der Bühne.
Gründe für die Wahlsensation
Nach der Bekanntgabe und die Tage danach wurde in ganz Waldkirch und weit darüber hinaus über die Gründe für diesen sehr überraschenden Wahlausgang diskutiert und spekuliert. Leider sind in den „sozialen Netzwerk“ wiederholt unanständige, anonyme Stellungahmen zu lesen, die weit unter die Gürtellinie zielen. Beschämend! Was sind die Gründe für die Abwahl Götzmanns? Vor acht Jahren mit über 72,4 Prozent der Stimmen mit überwältigender Mehrheit gewählt, erlitt der gebürtige Heidelberger nunmehr eine „schallende Ohrfeige“ der Bürger. Objektiv betrachtet hat Götzmann keine größeren Fehler in den letzten acht Jahren gemacht, die vielfältigen Folgen der Corona-Krise und des Ukraine-Krieges, auch für Waldkirch, können ihm wahrlich nicht angelastet werden. Die Stadt hat sich sozial und wirtschaftlich unter seiner Regie überaus positiv weiterentwickelt. Viele Dinge hat er zusammen mit dem Stadtrat zielgerichtet auf den Weg gebracht. Der aktuelle Haushalt wurde vom Gemeinderat einstimmig (!) genehmigt. Ähnlich wie bei der überraschenden Abwahl von Freiburgs OB Dieter Salomon, konnte Götzmann offensichtlich seine Unterstützer nicht in voller Stärke zum Urnengang bewegen. Die CDU- und FWW-Fraktion und Teile der DOL-Fraktion sprachen sich in der finalen Phase für Schmieder aus. Viele Götzmann-Anhänger dachten bestimmt, dass der Politikwissenschaftler und erfahrene Verwaltungsexperte sowieso gewinnt. Ein fataler Irrtum, wie sich jetzt heraustellen sollte. Durch Schmieders Bewerbung in quasi „allerletzter Minute“, erlebte die Orgelstadt den wohl kürzesten Wahlkampf in der Geschichte. Dieser Überraschungseffekt nutzte offensichtlich Schmieder, was bereits bei der Kandidatenvorstellung in Kollnau deutlich wurde. Mit seiner nahbaren, freundlichen und kommunikativen Art konnte Schmieder sehr viele Bürger überzeugen. Viele wünschten sich offensichtlich nach Richard Leibinger und Roman Götzmann wieder einen Einheimischen als Stadtoberhaupt. Kritik an finanziellen Dingen (u.a. rückständige Jahresabschlüsse) wurden zudem Götzmann angelastet. Das bundesweite Umfragetief der Sozialdemokraten hat Götzmann als SPD-Mitglied diesmal sicherlich auch nicht wirklich geholfen. Die allgemeine Unzufriedenheit vieler Bürger (u.a. starke Preiserhöhungen durch die Energiekrise, Personalnotstand in fast allen Bereichen, hohe Krankheitsquoten allerorts, ÖPNV-Chaos auf der Elzalbahn, wirtschaftliche und seelische Folgen der Pandemie) trugen sicherlich auch zum sensationellen Wahlausgang bei.
„In jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“, dichtete bereits der Calwer Schriftsteller Herrmann Hesse. Ab Anfang Juni wird also der neue OB Michael Schmieder die „Stufen“ im Waldkircher Rathaus hinaufgehen. Eines dürfte indes sicher sein: Der 12. März wird in die Geschichtsbücher Waldkirchs und der Region eingehen.