„Hoffen auf ein baldiges Ende der Gewalt“

Beim Gedenken an das Novemberpogrom wurden auch die Ereignisse in Nahost aufgegriffen

Emmendingen. Die Novemberpogrome 1938 waren vom Nazi-Regime organisierte und gelenkte Gewaltmaßnahmen gegen Juden im Deutschen Reich. Auch in Emmendingen legten SA-Leute und aufgehetzte Bürger die auf dem Schlossplatz stehende Synagoge in Schutt und Asche.

Vor dem Gotteshaus errichtete die Meute einen Scheiterhaufen. Unter den Augen zahlreicher Schaulustiger wurden darin sowohl das Inventar der Synagoge und des benachbarten Gemeindehauses verbrannt. Den Flammen zum Opfer fielen zudem die wertvollen Thorarollen. Für die damals in Emmendingen lebenden Juden markierte das Pogrom den Übergang von der Diskriminierung hin zur systematischen Unterdrückung und Vertreibung. Zwei Jahre später wurden 67 von ihnen nach Gurs deportiert.
Wie jedes Jahr fand am Donnerstag in Emmendingen das Gedenken statt. Für die 200 Menschen, die sich bei dem regnerischen Wetter auf dem Schlossplatz eingefunden hatten, fühlte es sich anders an als zuletzt. Unter dem Eindruck der Ereignisse im Nahen Osten waren die Blicke betretener und auch die Reden emotionaler. Die berührende Musik einer Formation des Goethe-Gymnasiums verstärkten dieses Gefühl. Als das Ensemble das Lied aus „Schindlers Liste“ spielte, flossen Tränen.
„Der verbrecherische Angriff der terroristischen Hamas auf den Staat Israel und seine Bevölkerung kann bei unserem Gedenken nicht ohne Erwähnung bleiben“, sagte OB-Stellvertreter Joachim Saar. Er finde es „unerträglich, dass in diesen Tagen von Sympathisanten auf deutschen Straßen derartige Gräueltaten gefeiert werden und dass es in unserem Land wieder Angriffe auf Jüdinnen und Juden gibt“. „Als Rechtsstaat und als Bürgerinnen und Bürger müssen wir dem, ohne wenn und aber, entschieden entgegentreten“, sagte Saar.
Olga Maryanovska, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, ließ ihren Gefühlen freien Lauf. „Menschen, die jubeln, wenn andere Menschen sterben und leiden. Das macht mich sehr traurig“, sagte sie. Der Gaza-Israel Krieg habe Auswirkungen auf Juden auf der ganzen Welt. In den Sozialen Medien kursierten Aufrufe zu Gewalt. In Emmendingen habe man den Gebetsraum in einen geschützten Saal verlegt. Die Polizeipräsenz sei ebenfalls verstärkt worden. „Unsere Gemeindemitglieder haben Angst, in den Gottesdienst zukommen. Sie haben Angst, ihre Kinder in das Jüdische Jugendzentrum zu schicken. Sie haben Angst, mit einer Kippa auf dem Kopf ihr Haus zu verlassen. Wie 1938 müssen wir in Deutschland Angst haben, wenn wir uns als Jüdinnen und Juden zu erkennen geben“, so Maryanovska.
„Das furchtbare Massaker an unschuldigen Menschen jeden Alters ist das erste Pogrom nach der Schoah auf israelischem Boden. Es hat unsere Gegenwart brutal und gewaltsam verändert.“, sagte Carola Grasse, Vorsitzende des Vereins für jüdische Kultur und Geschichte. Man sei „fassungslos, zu sehen, mit welchen Aggressionen auch deutsche Jüdinnen und Juden seit dem 7. Oktober konfrontiert werden“. Antisemitismus und Terrorverherrlichung dürften niemals toleriert werden. Es seien „keine Meinungen, sondern Straftatbestände, die der wehrhafte demokratische Rechtsstaat mit allen verfügbaren Mitteln konsequent ahnden muss“. Um diesen Entwicklungen entgegenzutreten, brauche es einerseits eine „starke Zivilgesellschaft“, anderseits auch Aufklärung. Schließlich folgte die Kranzniederlegung. Dafür stellten sich die 200 Anwesenden in die mit Teelichtern markierten Umrisse der ehemaligen Synagoge. „Heute haben wir zwei statt drei Schleifen an unserem Kranz – die dritte ist den 1.400 ermordeten Menschen vom 7. Oktober gewidmet“, sagte Olga Maryanovska. „Unser Wunsch für die ganze Region lautet: Frieden. Nur im Dialog seriöser Kräfte und der ernsthaften Suche nach einer politischen Lösung kann eine friedliche Zukunft für Israelis und Palästinenserinnen und Palästinenser ermöglicht werden. Mit großem Mitgefühl hoffen wir auf ein baldiges Ende der Gewalt“, sagte Joachim Saar. Nach den Ansprachen folgte das Gebet „Kaddish“. Der Gemeinderabbiner Yaakov Yosef Yudkowski richtete nicht nur den Opfern der Nazi-Zeit, sondern ausdrücklich allen Israelis und Palästinensern, die unter der derzeitigen Situation zu leiden haben. Daniel Gorzalka