Auch die Apotheken in der Region sehen rot

Befürchtungen um Bestand – Appell an die Politik – Umfrage für Kunden

Gundelfingen/Denzlingen/Region (hvg). „Wir sehen rot“ lautete kürzlich eine Woche lang in Apotheken deutschlandweit die Maxime – auch in den Apotheken in Gundelfingen, Denzlingen und Glottertal. Während der Aktions-Tage wurden Patientinnen und Patienten in persönlicher Ansprache „auf die immer dramatischere wirtschaftliche Schieflage der Apotheken vor Ort“ hingewiesen, wie es in der bundesweiten Pressemeldung Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) dazu hieß.

Wie sich Entscheidungen der „großen Politik“ im Alltag vor Ort auswirken, davon können auch die Inhaberinnen hiesiger Apotheken ein Lied singen. Was unter den Stichworten „zu viel Bürokratie und zu viele Auflagen“ beispielsweise bundesweit angeprangert wird, macht sich auch bei ihnen bemerkbar. Wenn Barbara Schulze von der Gundelfinger Alemannen-Apotheke am E-Center sagt: „Uns stört es, dass wir zu wenig Zeit für unserer Patientinnen und Patienten haben“, führt sie dies ebenso wie ihre Kolleginnen nicht zuletzt zurück auf „bürokratische Gängelung“.

Konkrete Einblicke
Die Inhaberin der Denzlinger Apotheke im Kohlerhof, Nicola Kellner, erläutert, wie sich diese bemerkbar macht: „Uns wird per Gesetz vorgeschrieben, welche Arzneimittel wir in welchen Mengen wie lange vorrätig halten müssen, das ist Teil des an uns ergangenen Regierungsauftrags. Aber die Liste der nicht verfügbaren Medikamente wächst stetig. Man macht sich keine Vorstellung, wie viel Zeit wir Apotheken hinter den Kulissen aufwenden, um Verfügbarkeiten zu prüfen oder andere Packungsgrößen zu organisieren, um die Patienten trotzdem bestmöglich versorgen zu können. Wir verwalten einen Mangel, hier ist dringend die Politik gefragt.“
Der ABDA zufolge wirkt sich das auch auf die Patienten aus, an die sie sich mit einem „Brandbrief“ wendet: „In Zeiten von Lieferengpässen wird deutlich, dass es zu viel Bürokratie und zu viele Auflagen gibt, um Sie schnell und flexibel versorgen zu können.“
Und sie verknüpft die Erfahrungen der Apothekerinnen und Apotheker vor Ort mit dem, was von Regierung und Parlament erwartet wird: „Schließlich sind wir es, die beurteilen können, wenn etwas schiefläuft in der Versorgung der Bevölkerung. Nach wie vor haben wir keinen konkreten Entwurf für das vom Bundesgesundheitsministerium geplante Gesetzesvorhaben. Genau deswegen war es wichtig, dass wir über die Apothekenteams die Bevölkerung informiert haben, dass apothekerlose Apotheken oder eine Honorar-Umverteilung nur Qualitätseinbußen, aber keine Lösungen für das Grundproblem in der Arzneimittelversorgung schaffen."

Shop-Apotheken machen keinen Notdienst
‚Apothekerlose Apotheken‘? Auslieferungsstellen (oder ‚Shop-Apotheken‘), bei denen sich Medikamente und weitere Apotheken-Artikel online ordern lassen, unterlaufen die Versorgungssicherheit der Bevölkerung. Apothekerin Anja Beier von der Gundelfinger Kandel-Apotheke erklärt, warum: „Die halten nicht den durchgängigen Notdienst aufrecht, wie wir es tun. Die tragen nichts bei zur kontinuierlichen flächendeckenden Versorgung, wie wir es tun. Wir mit unserer personellen Besetzung, wodurch Arbeitsplätze erhalten bleiben; wir, die Räume und weitere Infrastruktur bezahlen; wir, die in unseren Orten Steuern zahlen und unseren Teil dazu beitragen, dass die Lebensqualität der Bevölkerung hier gesichert bleibt.
Die Apotheken bieten eine niederschwellige Anlaufstelle mit einer qualifizierten Gesundheitsberatung. Wir arbeiten präventiv für das Gesundheitssystem; lenkend, da wir – falls nötig – immer einen Arztbesuch empfehlen, und kostensparend, da bei vielen Patienten ein Arztbesuch nicht mehr nötig ist. ‚Apotheke-light‘, wie Herr Lauterbach sie plant, oder ‚Shop-Apotheken‘ übernehmen nur die Logistik.“
Die Denzlinger Apothekerin Nicola Kellner fügt hinzu: „Das sind meist Online-Apotheken aus den Niederlanden, die sich die Rosinen herauspicken. Sie fertigen auch keine Rezepturen an, die mehrfach täglich in den speziell eingerichteten Laboren der Apotheken individuell angefertigt werden. Wir und auch viele andere Apotheken fertigen zum Beispiel Kapseln in kleinerer Dosierung für Kinder an, die es auf dem Markt so nicht gibt – wer soll das denn künftig machen?“

Apotheken-Sterben
Sollte nicht alsbald politisch gegengesteuert werden, darin sind sich die Inhaberinnen einig, stehen Konsequenzen für jeden an, wie sie vielerorts schon gespürt werden: Im Jahr 2023 haben allein in Baden-Württemberg 90 Apotheken geschlossen, und im ersten Quartal 2024 waren es schon weitere 13 Apotheken. Diese Tendenz konterkariert die politisch angestrebte Absicht einer „flächendeckenden Versorgung“.

Informieren – und verändern
„Deshalb ist es so wichtig, dass unsere Probleme bei den politischen Entscheidern auf Bundesebene ankommen und sie etwas verändern – zugunsten der gesamten Bevölkerung“, verdeutlichten Barbara Schulze und Anja Beier in einem Gespräch mit Bürgermeister Raphael Walz. Er sicherte ihnen zu, die von ihnen geschilderten Nöte an die Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises weiterzugeben, damit diese ihren Einfluss in die passenden Entscheidungsgremien tragen könnten.
Was gebraucht wird Neben organisatorischen Straffungen geht es auch um bessere finanzielle Rahmenbedingungen, was wiederum Spielraum gäbe, um Angestellte besser zu entlohnen und so wiederum dem Nachwuchsproblem entgegenzuwirken. Auch das hat laut ABDA „ausschließlich politische Gründe. Denn die Bundesregierung, die die Apothekenvergütung regelt, lässt das Apothekenhonorar seit elf Jahren unverändert. Zuletzt gab es durch die Ampel-Koalition sogar eine Kürzung.“ Die Preisgestaltung der verschreibungspflichtigen Medikamente ist vom Gesundheitssystem genau geregelt. Dies hat Vorteile, aber dadurch können die Apotheken nicht unternehmerisch handeln und sich kreativ Spielräume erschließen. Ergo hat der Gesetzgeber die Verantwortung und müsste das Honorar anpassen.
Fazit Um die Situation für die Apotheken vor Ort und ihre Patientinnen und Patienten zu verbessern und dauerhaft zu sichern, braucht es Änderungen. Die Bundesregierung, heißt es von der Verbandsvertretung weiter, müsse handeln, damit nicht zuletzt „mehr Zeit für Patientinnen und Patienten bleibt, indem Bürokratie verschwindet und die pharmazeutischen Fachleute mehr Entscheidungsfreiheit erhalten, das Apotheken-Netz stabilisiert … und die Arzneimittelversorgung langfristig gesichert wird, indem die Vergütung der Apotheken nach elf Jahren endlich erhöht wird“.

Unterstüzende Umfrage
„Wir haben einen super Beruf“, unterstreicht Nicola Kellner, die ihn seit 24 Jahren ausübt, „aber er muss wieder attraktiver gemacht werden.“ Wer dies unterstützen will, kann bei einem Zeitaufwand von drei Minuten in der bundesweiten Umfrage bewerten, wie wichtig ihm die Apotheke vor Ort ist. Die Umfrage läuft noch bis Samstag, 1. Juni; sie findet sich unter www.apoliebe.de sowie einfach über den abgebildeten QR-Code.