Diskussion der Stellungnahmen und Einwendungen

Rheintalbahn-Ausbau: 4-tägige Erörterung in Kenzingen zum Planfeststellungsverfahren – Eisenbahn-Bundesamt hat das letzte Wort

Kenzingen (slw). „Milliarden Euro investieren - oder verschleudern?“ Dies war eine der zentralen Fragen zum Auftakt der 4-tägigen Erörterung zum Planfeststellungsverfahren zwischen Kenzingen und dem Bahnhof Riegel-Malterdingen in der recht spärlich besuchten Üsenberghalle.

Gegensätzlicher könnten die Standpunkte für den Ausbau der Rheintalbahn nicht ausfallen. Die Deutsche Bahn hält am Doppelbeschluss - gleichzeitiger Ausbau des bisherigen Trassenverlaufs und der Autobahnparallele - fest. Die Städte Kenzingen und Herbolzheim votierten für die Bündelung an der A5 mit Optimierung des öffentlichen Personennahverkehrs. Beide Seiten wurden juristisch durch Anwälte vertreten.
Die Sitzungsleitung oblag dem Regierungsdirektor beim Regierungspräsidium Freiburg, Joachim Lucht. Mitte 2021 war die Anhörung. Etwa 2.900 Einwendungen der Gemeinden, der Träger öffentlicher Belange sowie von Verbänden und Privatpersonen häuften sich an. Unter neutraler Leitung der Anhörungsbehörde wurde den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, Stellungnahmen und Einwendungen zu diskutieren. Der Erörterung folgt keine Entscheidung, sie stelle lediglich eine Sammlung entscheidungsrelevanter Informationen dar, gab der Sitzungsleiter zu verstehen.

„Langer Weg“
Der lange Weg des Rheintalschienen-Ausbaus begann für Projektleiter Bernd Dassler bereits 2006 mit einer ersten Auslegung. Seit jenem Erörterungstermin sind allein im Planfeststellungsabschnitt 7.4 (Ettenheim - Herbolzheim) und 8.0 (Kenzingen - Riegel/Malterdingen) 13.500 Gegenargumente gezählt worden. Die Aufarbeitung bewältigte ein Projektbeirat aus Mitgliedern von Bund, Land, Bahn und Region.
Als Grundlage diente der Kommission der Bundestagsbeschluss vom 28. Januar 2016: Zwischen Offenburg und Riegel wird eine 2-gleisige Güterzugtrasse in Parallellage zur Autobahn A5 errichtet. Die Bestandstrecke wird für die Aufnahme des Personennah- und fernverkehrs ertüchtigt. Abschnittsweise erfolgt ein 4-gleisiger Ausbau der Maximalgeschwindigkeiten bis 250 Stundenkilometer zulässt. Beide Strecken erhalten Lärmschutz. Einen einvernehmlichen Konsens schloss Dassler wegen den exorbitant gegensätzlichen Positionen von vornherein aus.
Der Abschnitt 8.0 besteht aus einer Ausbaustrecke entlang der bisherigen Rheintalbahn und einer Neubaustrecke auf der Ostseite parallel zur Autobahn verlaufend. Verbunden werden beide Trassen mittels einer Querspange. Die erste Phase soll 2027 an der A5 beginnen. Für die Zeit bis zur Fertigstellung des Streckenabschnitts ist eine knapp fünf Kilometer lange provisorische Verbindungsspange zur Bestandsstrecke vorgesehen.
Es entsteht zudem eine Parkplatzanlage westlich der Ziegelhöfe, die den Wegfall durch die Gleise an der Autobahn kompensiert. Ab 2032 ist die Verbindungsspange Süd und der Bahnhofumbau Riegel / Malterdingen in Planung. Sechs Jahre wird ab 2036 wegen der zwei zusätzlichen zu bauenden Gleise bis Offenburg Schienenersatzverkehr eingerichtet.
Bevor der juristische Diskurs begann, hatten die Bürgermeister in kurzen Abhandlungen Gelegenheiten ihre Anliegen vorzutragen. „Wir kämpfen immer noch gegen statt für eine gemeinsame Lösung“ begann Bürgermeister Dirk Schwier. Für ihn ist der Bundestagsbeschluss 2016 entscheidend, der eine Parallellösung an der Autobahn vorsieht. Tempo 250 Kilometer pro Stunden durch Kenzingen sei ein Gräuel. Er befürchte, die Forderung nach einem Viertelstundentakt sei nicht mehr zu realisieren. Erhebliche Bedenken hatte er, dass die Gemeinden an den Millionenkosten für den Brückenbau beteiligt werden. Mit dem Bundestagsabgeordneten Johannes Fechner (SPD) bekam Schwier politischen Beistand. Für finanzielle Unterstützung will er sich einsetzen, sofern zur Kasse gebeten wird.
Die Verkehrswende sprach auch Herbolzheims Bürgermeister Thomas Gedemer an. Eindringlich gab er den Rat, die Weichen für die effizienteste Lösung zu stellen. Die könne nur lauten: Bündelungslösung. Sie sei nicht nur kostengünstiger, sondern könne auch viel schneller in Betrieb gehen: „Wir brauchen dringend einen gut funktionierenden Güter-, Fern- und öffentlichen Personennahverkehr.“ Der DB-Verkehrsprognose erteilte Gedemer eine Absage: Sie sei realitätsfern. Es sei kaum vorstellbar, wie der Schienenersatzverkehr jahrelang funktionieren solle.
Alle beiden Kommunen und auch Ringsheim beauftragten das Ingenieurbüro Dieter Seibert, Trassenvarianten entlang der Autobahn zwischen Offenburg und Riegel zu konstruieren. Der Diplomingenieur prüfte auf betriebliche Machbarkeit, Lärm, Kosten, Flächenverbrauch und die Naturschutz-Aspekte. Sein Resultat: Technisch ist das ohne Weiteres machbar, es lohne sich auf jeden Fall, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen, denn es spart Kosten, Emissionen und Bauzeit. Landratsamt konform mit Gemeinden

„Planungen endlich umsetzen“
Die Position des Landratsamtes legte der erste Landesbeamte Hinrich Ohlenroth offen. Gemeinsam habe man mit den betreffenden Kommunen um eine Lösung gerungen. Jetzt sei es an der Zeit die Planungen endlich umzusetzen, denn es gehe ihm um Verlässlichkeit. Der Kreis hat sich gegen die Antragstrasse gestellt. In Anbetracht leerer Kassen ist es grob fahrlässig, wenn Milliarden Euro nicht eingespart werden.
Auf die jeweils 166 Seiten an Einwendungen aus Kenzingen und Herbolzheim verfasste die Bahn AG eine gleich große Erwiderung. Die Anwaltskanzleien zerpflückten die Auffassungen der Gegenseite. Für Rechtsanwalt Hansjörg Wurster als Städtevertreter sei das Regulierungsrecht irrelevant, mehr noch, die Bündelungsplanung gehe konform mit europäischem Recht. Über allem stehe die Frage, ob das Raumordnungsverfahren zwingend notwendig sei. Die Kommunen sehen Verfahrensfehler, die Antragsteller meinen, die zuständige Behörde ist am Verfahren beteiligt.
DB-Rechtsanwalt Andreas Geiger sah in den Erörterungen keinen Ansatz, dass die Bündelungslösung untersucht werden müsse. Er verwies auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das es zu akzeptieren gelte. Im Übrigen sah er eine Kompatibilität zum Deutschlandtakt. Die Sitzungen an den Folgetagen galten den eingegangenen Stellungnahmen und Einwendungen. Themen waren neben der Forderung nach einer Bündelung der Gleise für den Güter- und Personenfernverkehr an der Autobahn der Immissionsschutz im Betrieb und während der Bauzeit, die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen sowie die Umwelt-Eingriffe (Natur, Boden und Wasser).
Nach vier Tagen endete die Erörterung. Joachim Luchts abschließende Stellungnahme geht an das EBA, das letztendlich den Festsetzungsbeschluss erlässt und damit das Baurecht erteilt.