Ihringen. Der Landschaftserhaltungsverband (LEV) Breisgau-Hochschwarzwald unterstützt die Streuobst- und Schmetterlingswiesen im Landkreis und legt diese auf großer Fläche neu an. Jeder Obstbaum ist Lebensraum für viele Tierarten, Flechten und Moose. Die darunterliegende Wiese wird blütenreich und ist ein Eldorado für Wildbienen, Heuschrecken und zahlreiche Insekten.
Am vergangenen Mittwoch konnten in Ihringen auf einem großen Wiesenstück hinter den Martinshöfen mehrere Streuobstbäume gepflanzt werden. Die Kultur- und Erholungslandschaft soll so gepflegt und erhalten werden.
Landrat Dr. Christian Ante war extra für die Pflanzung der Bäume nach Ihringen gekommen, um dort auch selbst Hand anzulegen und die ersten Bäume eigenhändig zu setzen. Er selbst kennt sich besonders gut mit dem Thema aus, ist er doch in seiner Heimat im Hegau bereits seit langen Jahren ehrenamtlich in diesem Bereich aktiv. „Wir haben dort vor vielen Jahren eine Aktion gestartet, bei der 15 Obstbäume gepflanzt wurden“, berichtet der Landrat. In der Zwischenzeit sind es insgesamt bereits 500 Bäume, die der Verein „Streuobstbaum-Initiative Hegau“, dessen Vorsitz Ante innehat, auf Wiesen bringen konnte.
So war es auch nicht verwunderlich, dass er den beiden Ihringer Jungs – Clemens (8) und Benjamin (6) –, die tatkräftig beim Einpflanzen mithalfen, viel Wissenswertes über die richtige Vorbereitung und den Zuschnitt der Setzlinge erzählen konnte. Gepflanzt wurden an diesem Tag verschiedene
Apfel- und Birnensorten sowie Quitten.
Reinhold Treiber, Geschäftsführer des Landschaftserhaltungsverbands (LEV), das im Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald angesiedelt ist, erklärte währenddessen, wie es überhaupt dazu kam, dass hier nun Obstbäume gepflanzt werden können. „Das ganze Wetzental hier war zugewachsen. Goldruten, Brennesseln und auch Brombeeren hatten alles völlig zugewuchert und verwildert“, blickt Treiber zurück. „Vor zwei Jahren hat der Landschaftserhaltungsverband dann die komplette Fläche gepflügt – wie einen Acker – gemulcht und neu eingesät.“ Schafgarbe, Spitzwegerich, wilde Möhre, Ferkelkraut und mehr sind nun vor Ort in den Boden eingebracht. „Lokales Saatgut für eine artenreiche Wiese“, so der Fachmann. Vor etwa einem Jahr hat die Stiftung Naturschutzfond die Fläche aufgekauft, die nun dem Land Baden-Württemberg gehört. Mit dieser Streuobstwiese will man der Bevölkerung auch etwas zurückgeben: „So kann sich beispielsweise der Naturkindergarten regelmäßig hier aufhalten, sich an der Artenvielfalt erfreuen und auch das regionale Obst ernten“, erläutert der Geschäftsführer des LEV. 160.000 Euro aus dem Fond des LEV wurden investiert. Geld für Pflege und Instandhaltung kommt aus öffentlichen Mitteln. Die Beauftragung dazu erteilt das LEV an fachkundige Partner. So muss auch die neuangelegte Wiese weiterhin regelmäßig „abgemagert“ werden, es ist eine Mähwiese. Die Biodiversität wird gesteigert, aber auch für den Tourismus ist es ein deutlicher Pluspunkt, verläuft doch direkt nebenan ein Wanderweg in Richtung Lilienhof. Der LEV kümmert sich nicht nur um die Streuobstwiesen in der Region. Der Kaiserstuhl als Kulturlandschaft soll erhalten bleiben, die Biodiversität der ganz besonderen Landschaft unterstützt und erweitert werden. In den Rebterrassen wurden daher rund 130 verwilderte Einzelflächen aufgekauft – circa 30 Hektar insgesamt – die der Verband mittlerweile pflegt. Böschungen wurden freigelegt und so Lebensräume für Insekten und Tiere wie die Smaragdeichechse eingerichtet. Die Flaumeiche – eine äußerst seltene Eichenart – wurde hier gezogen und eingepflanzt. Die Artenvielfalt vor Ort ist bereits jetzt enorm, ob Kartäusernelke oder Esparsetten – die Nahrung insbesondere des Esparsettenbläulings.
Winzer sollen zudem unterstützt werden, Vogelfraß und auch die Ausbreitung der gefährlichen Rebzikaden sollen eingedämmt oder verhindert werden. Ein Problem ist unter anderem die immer stärker werdende Fragmentierung der Rebflächen: „20 bis 40 Prozent der Rebflächen werden in den nächsten zehn Jahren nicht mehr bewirtschaftet werden“, so die Prognose von Reinhold Treiber, Geschäftsführer des LEV. Der Strukturwandel im Weinbau und die Absatzkrise führten dazu, dass immer mehr Rebterrassen aufgegeben werden und brach fallen. Andrea Keller
Informationen: Der LEV ist Ansprechpartner für die Beratung zur Neuanlage von Streuobst- und Schmetterlingswiesen auf Rebbrachen. Der Streuobstleitfaden des LEV findet sich unter www.lev-bh.de. Für Fragen: 0761 / 2187 5890 oder reinhold.treiber@lkbh.de
Was viele nicht wissen: Es gibt die europäische Flora- und Faunarichtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. Sie dient der Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt. Mitgliedstaaten der EU sind dazu verpflichtet, natürliche Lebensräume sowie wildlebende Tiere und Pflanzen zu schützen. Im November 2024 hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass die BRD gegen diese Richtlinie verstößt. Deutschland komme den Verpflichtungen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie nicht nach, weil es blütenreiche Wiesen nicht ausreichend schütze. Mähwiesen und Berg-Mähwiesen, die von Bedeutung für Bestäuberinsekten wie Bienen und Schmetterlinge sind, weisen in Deutschland einen ungünstigen Erhaltungszustand auf, genauso wie die Schutzmaßnahmen, um dagegen vorzugehen. Aufgrund der oft nicht nachhaltigen Agrarpraktiken in geschützten Gebieten wurden die Flächen erheblich verkleinert oder sind sogar ganz verschwunden. Jetzt muss Deutschland nachliefern, anderenfalls drohen hohe Geldstrafen.