„Hingucker-Aktion“ für mehr Ehrenamt

100 Jahre „Sozialdienst katholischer Frauen Waldkirch“ mit vielen Aktionen – Werbung für Freiwilligenarbeit

Waldkirch-Kollnau (db). Die Wichtigkeit und Unverzichtbarkeit ehrenamtlicher Arbeit als „Kitt der Gesellschaft“ ist derzeit in aller Munde. Nahezu alle Vereine sind aktuell auf der Suche nach Ehrenamtlichen – auch der Sozialdienst katholischer Frauen Waldkirch (SkF). 

Nach der Corona-Krise ist vieles anders in der Gesellschaft. Auch aufgrund von immensen Kostensteigerungen in fast allen Bereichen sind nicht wenige Menschen gezwungen, anstatt eines Ehrenamtes, einen Zweit- oder Drittberuf auszuüben, um finanziell irgendwie über die Runden zu kommen. Es wird bekanntlich immer schwerer, Ehrenamtliche vor allem für Führungsämter in den Vereinen zu gewinnen. Der allgemeine Trend geht eher in die Richtung zeitlich begrenzter Projekte. Über die Notwendigkeit von ehrenamtlicher Arbeit informierte der SkF Waldkirch kürzlich bei einem Pressegespräch in seinen Geschäftsräumen in Kollnau.

Sinnerfüllend
Im 100-jährigen Jubiläumsjahr habe sich der SkF zum Ziel gesetzt, die Zahl der Ehrenamtlichen nahezu zu verdoppeln, so Geschäftsführerin Veronika Scherzinger. „Wir wollen die Menschen für unsere Arbeit begeistern“. Derzeit ca. 140 Ehrenamtliche, davon ca. 125 ehrenamtliche, rechtliche Betreuerinnen und Betreuer, engagieren sich aktuell beim SkF. Dazu kommen ca. 13 hauptamtliche Kräfte. Aber das Ehrenamt „komme nicht umsonst“, so Scherzinger. Zusammen mit Vorstandsmitglied Anita Gehring stellte sie die vielfältigen Leistungen des Vereins für die Ehrenamtlichen vor. Das reiche von  Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie fachlicher Begleitung bei den Einsätzen, bis hin zu Aufklärungsarbeit, Austauschtreffen und sonstigen Aktionen. Die rechtlichen Herausforderungen werden immer komplexer und so seien die Ehrenamtlichen dringend auf fachliche Unterstützung angewiesen, so Scherzinger. Die große Kunst sei es, so Gehring, die Menschen am richtigen Platz, in der richtigen Funktion einzusetzen und sie eben nicht zu überfordern. Es entstehe nicht selten eine sehr enge Bindung zu den zu Betreuenden, was durchaus eine sinnerfüllende Tätigkeit darstellen könne, so die beiden Sprecherinnen. Scherzinger erinnerte u.a. an das SkF-Ehrenamtscafé sowie die Mitmachbörse im Zuge des Pflegebündnisses Waldkirch. Hier könne man sich über mögliche ehrenamtliche Tätigkeitsfelder informieren. Die meisten Menschen wollen sich nicht mehr so lange binden, sondern sich eher temporär oder projektbezogen engagieren, berichtet Gehring aus der Praxis. Das Einzugsgebiet des SkF Waldkirch reicht übrigens vom ZTL bis nach Denzlingen, Vörstetten, Reute sowie Glottertal.

Viele Tätigkeitsfelder
Der SkF sei in etlichen Bereichen auf die Mitarbeit von Ehrenamtlichen angewiesen: Im Betreuungsverein mit derzeit etwa 125 ehrenamtliche Betreuern, im Bereich der Alltagsbegleiterinnen und Begleiter (u.a. stundenweise Kinderbetreuung, Fahrdienste), im Babykleiderlager oder im Projekt „Kolibri“ (vormals „Blauer Hase“) zum Wohl von physisch belasteten Menschen. Und nicht zu vergessen im ehrenamtlichen Vorstandsteam. „Jeder, der sich engagieren möchte, soll in geeigneter Weise seinen Platz im SkF vermittelt bekommen, je nach seinen individuellen Fähigkeiten, Interessen und Bedürfnissen“, ergänzte Andrea Österle (u.a. Leitung Familien- und Schwangerschaftsberatung). Vereinsbetreuer Bernd Biermann (Betreuungsverein) berichtete aus seinem umfangreichen Tätigkeitsfeld.

„Hingucker-Aktion“
Um diese wertvolle Arbeit noch bekannter zu machen und Menschen dafür zu begeistern und zu gewinnen hat sich der SkF im Jubiläumsjahr nunmehr dazu entschieden, ab diesem Monat eine „Hingucker- Aktion“ zu starten. Bekannte und weniger bekannte Gesichter aus Waldkirch und den umliegenden Gemeinden, die beim SkF wirken, ließen sich fotografieren und werben mit ihrem Gesicht, ihrem Namen und ihrem „Motivationsspruch“ für die ehrenamtliche Mitarbeit. Elf Menschen, zehn Postkarten – gestaltet von der Grafikschule Freiburg zusammen mit Grafikdesignerin Steph Burlefinger, selbst ehrenamtlich beim SkF tätig. Dazu wird man diesen Monat auf die örtlichen Wochenmärkte gehen, um das ehrenamtliche Angebot „Face to Face“ vorzustellen. Dazu natürlich auch die vielfältigen Aktionen und Veranstaltungen im Jubeljahr wie u.a. der große Festtag am 28. September in Kollnau (Seilmattenstraße 2). Ferner wurde auch ein Aufsteller mit 100 Gesichtern, die alle etwas mit dem SkF zu tun haben, erstellt.

Wandel des Ehrenamtes
Österle skizzierte die Entwicklung der Freiwilligenarbeit in Deutschland. Allerdings liegen aktuell nur Zahlen bis vor der Corona-Krise vor (bis 2019). 2019 seien 28,8 Millionen Menschen in Deutschland ehrenamtlich engagiert gewesen, alleine 31,2 Prozent über 65 Jahre alt. Die Bereiche Sport, Kultur und Soziales stünden ganz weit oben. Freude, Selbstverwirklichung, Verantwortungsbewusstsein und Sinnhaftigkeit sind u.a. die Haupttriebfedern. Stark erhöhte Lebenshaltungskosten, steigende Individualität, begrenzte zeitliche Kapazitäten sowie ein völlig verändertes Freizeitverhalten wirken sich eher negativ auf den ehrenamtlichen Einsatz aus.

Seismograf in der Gesellschaft
Der „Dienst an der Gesellschaft“ sei aber auch eine Gratwanderung. Darauf machte kürzlich die bekannte Soziologin Tine Haubner im Deutschlandfunkt aufmerksam. Nach ihrer Einschätzung gleichen Ehrenamtliche nicht selten „Lücken in der staatlichen Daseinsvorsorge“ aus. Viele Freiwillige gingen über ihre Grenzen hinaus und überfordern sich. „Das ehrenamtliche Engagement weist uns auch immer darauf hin, wo es in der Gesellschaft klemmt“, so die bekannte Autorin.