Kenzingen (slw). Über vier Stunden zog sich die Marathon-Stadtratssitzung hin. Dreiviertel der Zeit betraf die Neufestsetzung der Kita-Gebühren und die Betreuungsangebote der Schulen sowie die inhaltliche Behandlung des Einwohnerantrages zur Wiederholung eines früheren Beschlusses.
Vor der Sitzung demonstrierten Eltern auf dem Rathausvorplatz. Sie stuften die finanzielle Anpassung als nicht sozialverträglich ein. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Kernzeit klaut“, skandierten geschätzte 200 Demonstrierende und forderten die Räte zum Umdenken auf. Alexander Feldberger, ein Wortführer, sieht durch die Teilnahme vieler Betroffener und Sympathisanten aus der Kernstadt und allen Ortsteilen ein gewichtiges Argument, die Erhöhung in dieser Größenordnung zu canceln. Eine Vertagung wurde gefordert, ein Kompromissvorschlag machte die Runde, lediglich um einen Sockelbeitrag aufzustocken.
Der Tross begleitete einige Ratsvertreter in den Sitzungssaal. Zusätzliche Sitzreihen waren erforderlich. Bürgermeister Dirk Schwier reagierte und änderte die Tagesordnung. Vorab wurden Kita-Gebühren und Standort Hecklingen beraten.
Gereizte Stimmung
Feldberger klagte über ein Überrumpeln der Bürger, die als Betroffene nie in Dialoge einbezogen wurden. Die bekannten Fakten schockieren die Eltern. Joachim Röderer konnte ebenfalls keine seriösen Eindrücke sammeln und verglich den Vorgang mit der Hektik eines „türkischen Basars“. Schwier konterte und wiederholte sich des Öfteren. Die Gesamtverantwortung der finanziellen Situation obliegt der Verwaltung und dem Gemeinderat.
Seit Jahr und Tag stoßen bei Eltern Gebührenerhöhungen auf Unverständnis. Die Verwaltung war bemüht, mehr Transparenz zur Rechtfertigung vorzutragen. Kämmerer Markus Bührer klärte über die gesetzlichen Vorgaben auf. Die Kommune ist verpflichtet, Entgelte von den Kita-Nutzern zu verlangen, die durch die Betreuung ihrer Zöglinge Vorteile nutzen. Die Empfehlung des Städtetages geht von einem 20-prozentigen Deckungsgrad aus. Das Rechenmodell berücksichtige die angestrebte Anpassung plus einem Inflationsausgleich. Kenzingen bleibt auch nach der Erhöhung unter der 20-Prozent-Marke. 2027 fallen die Kosten um weitere zwei Prozentpunkte. Ohne Anpassung betrage das Defizit über zwei Millionen Euro.
Ringen um Alternativen
Nachvollziehbar, aber die Schmerzgrenze ist für die Bürger überschritten. Bernhard Striegel (CDU) regte als einen möglichen Lösungsweg eine Flexibilität bei der zeitlichen Auslastung zur Kostenreduzierung an. Das Platz-Sharing steht auf der Agenda der Verwaltung. Bei bestehenden Einrichtungen erachtete Schwier den Vorschlag bei der Umsetzung als schwierig.
Armin Weiland (BVK/FW) zitierte die Gemeindeordnung und verwies auf Bundesländer und Städte, die keine Kita-Gebühren verlangen. Chancengleichheit bestehe nicht, die Förderung von Beruf und Familie sei nicht mehr gewährleistet und die frühkindliche Bildung als öffentliche Aufgabe werde durch die Gebührenerhöhung deutlich erschwert. Aus dem Lager der SPD war zu hören, dass die Kommunikation zwischen Eltern, Verwaltung und Gremium fehle. Die anvisierte Erhöhung wurde zwar erörtert, aber keine absoluten Beträge genannt.
Das mehrheitliche Votum
Mit 13 Ja- gegen sieben Nein-Stimmen bei einer Enthaltung wurde die Neufestsetzung der Benutzungsgebühren an städtischen Kita-Einrichtungen beschlossen. Die monatliche Grundgebühr zur Regelbetreuung 30,5 Wochenstunden beträgt ab 1. September für ein Kind 245 Euro. Mit verlängerten Öffnungszeiten sind 305 Euro fällig. Die Ganztagesbetreuung beläuft sich auf 495 Euro und Eltern, die eine altersgemischte Kleinkindbetreuung favorisieren, bezahlen 360 Euro.
Der verbale Schlagabtausch fand bei der Benutzungsgebühren für Betreuungsangebote an städtischen Schulen seine Fortsetzung. Schwier warb mit Argumenten einer qualitativ hochwertigen Betreuung, einem erweiterten Angebot und der Einstellung ausgebildeter Fachkräfte um Zustimmung. Gleichzeitig zeigte sich der Rathauschef über einen Brief des Hecklinger Elternbeirats frustriert, der nur Protest beinhaltet, aber keine Gegenvorschläge macht. Die kamen sowohl von den Freien Wählern als auch der CDU-Fraktion. In beiden Anträgen werden pauschalierte Erhöhungssätze beantragt. Ein Anstieg ist notwendig, in der Höhe aber unverhältnismäßig und sozial nicht ausgewogen, hieß es in den Begründungen.
Nachdem der BVK-Antrag mit 15 Prozent die Mehrheit knapp verfehlte, wurde der 19,5 Prozent-Aufschlag der CDU gutgeheißen. Die Pauschale orientierte sich am Inflationsausgleich. Statt 135 Euro der ursprünglichen Verwaltungsvorschlags steigt die Kernzeitbetreuung lediglich auf 85 Euro. 15 Euro sind für die Ferienbetreuung pro Tag zu entrichten. Die Nachmittagsbetreuung steigt auf 35 Euro. Eine Sozialstaffelung mehrerer Kinder mindert weitere Ausgaben.
Einwohnerantrag abgelehnt
Trotz der Empfehlung des Hecklinger Ortschaftsrats, die Beschlussfassung „Umbau Pfarrhaus“ (siehe Bericht) zu revidieren, blieb der Einwohnerantrag erfolglos. Drei Vertrauenspersonen begründeten ihren Schritt als „schädigend für die Betreuungssituation“. Durch eine erneute Beschlussfassung bestehe die Chance, die Vor- und Nachteile von Synergieeffekten für die Stadt abzuwägen. Sabrina und Elmar Lohmüller sowie Vanessa Boch befürchten einen Verkauf des Pfarrhauses. Dadurch gehe wertvoller Raum für die Bewohner verloren.
Die Tatsache, dass die Nachbargemeinde Malterdingen kurzfristig 14 und mittelfristig weitere 20 Plätze für die U3-Betreuung anbieten kann, muss laut Fachbereichsleiter Matthias Leser noch einer inhaltlichen Prüfung der Interessensbekundung standhalten. Der Bedarf wäre ausreichend abgedeckt. Bombachs Ortsvorsteher Bruno Jägle will die modulare Form der Kita konsequent weiterverfolgen. Das Pfarrhaus ist nicht in städtischem Eigentum, ein Nachteil wie Achim Rehm (MiK) ausführte. 200 Meter weiter biete ihm das alte Schulhaus immer noch eine günstige Alternative. Der zeitliche wie finanzielle Druck wird durch die Malterdinger Offerte abgemildert. Schwier stellte jedoch klar: „Wir müssen trotzdem weitere 20 Plätze schaffen.“ Mit einer ablehnenden Stimme mehr wurde der Einwohnerantrag denkbar knapp abgewiesen.